In der Debatte über den Aufstieg nationalistischer und illiberaler Parteien ist ein altes Gespenst wieder aufgetaucht – das Gespenst der liberalen Kosmopoliten: gut ausgebildete, international vernetzte Wissenschaftlerinnen, Journalisten oder Politikerinnen, die sich gegenseitig ihrer moralischen Überlegenheit versichern. Die Kluft zwischen Kosmopolitinnen und heimatverbundenen Kommunitaristen gilt als einer der zentralen Konflikte unserer Zeit.
Eine zutreffende Diagnose? Oder ist die Vorstellung von entwurzelten liberalen Eliten bloß ein Zerrbild? Der Psychoanalytiker und Publizist Carlo Strenger kennt diese Gruppe nur allzu gut: weil er selbst zu ihr gehört – und aus dem Alltag seiner therapeutischen Praxis. Anhand einschlägiger soziologischer Literatur verallgemeinert er seine Befunde. Ja, so die selbstkritische Einsicht, die liberalen Eliten sind oft zu arrogant. Und dennoch brauchen wir ihre Expertise. Strenger schließt mit einem doppelten Plädoyer: für mehr Bodenständigkeit unter den liberalen Kosmopolitinnen und eine liberal-kosmopolitische Grundausbildung für alle. »Sonnenklar argumentiert der Autor wider den Relativismus von links wie rechts und für die liberale, soziale Demokratie.« (Caroline Fetscher, Der Tagesspiegel 30.06.2019).
Carlo Strenger, in der Schweiz geboren und aufgewachsen, ist Professor für Philosophie und Psychologie an der Universität Tel Aviv, und praktizierender Psychoanalytiker. Er hat zahlreiche Bücher und Artikel in seinen Fachgebieten und im politischen Bereich veröffentlicht, die in viele Sprachen übersetzt wurden, und ist Kolumnist für die Neue Zürcher Zeitung und Israels führender linksliberaler Zeitung Haaretz.