Die Arbeit stellt einen Beitrag zur Erforschung der sogenannten Literatur des Holocaust dar. Die an Motiven wie an der poetischen Form ansetzende Untersuchung einer Vielzahl bislang unbekannter Gedichte kommt zu dem Ergebnis, dass die Texte nur in ihrer Einheit von Form und Inhalt und dabei vor allem in ihrem Zeugnischarakter verstanden werden können. Durch die poetische Form gelingt es, den Vorgang des Bezeugens, der immer eines zum Zeugnis fähigen Ich sowie eines Gegenübers bedarf, zu initiieren,und zwar indem das Gedicht die Funktion eines symbolischen Ich einnimmt. Dieses symbolische Ich ermöglicht es auf paradoxe Weise, die Erfahrung unaufhaltsam fortschreitender Vernichtung zunächst im autokommunikativen Akt des Verfassens, dann aber auchim (lauten) sprechenden Nachvollzug zu benennen, Zeugnis der eigenen Ichzerstörung abzulegen und gleichwohl für Momente ins Gedicht zu bannen und damit abzuwehren. Aus dieser vorrangigen Zeugnisfunktion der Gedichte aus Ravensbrück leitet die Autorin hermeneutische Überlegungen für den Umgang mit Lyrik aus Konzentrationslagern ab. Diese Gedichte sind weder als autonome Kunstwerke noch als Historie dokumentierende Quellen einzuordnen. Vielmehr handelt es sich um poetische Zeugnisse zerstörter und dennoch unzerstörbarer Menschlichkeit. In ihnen wird der Atem derjenigen hörbar, die die Reste eines noch lebenden Ich, das um die Toten trauert und das sich nach Lebendigkeit sehnt, für die Zukunft gegenwärtig halten will.
Enth. u. a. Schock- und Verlusterfahrungen im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück im Spiegel der Gedichte ; Literarische Motive und religiöse Deutungsmuster ; Die Notwendigkeit poetischen Sprechens ; Gedichte als paradoxe Zeugnisse vom Ich.
Constanze Jaiser, Jahrgang 1964, Dr. phil., Literaturwissenschaftlerin und Theologin, promovierte mit einer Arbeit zur KZ-Lyrik aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, war zwischen 1995 und 2003 tätig an der Freien Universität als Lehrbeauftragte, wissenschaftliche Mitarbeiterin und als verantwortliche Redakteurin der Online-Rezensionszeitschrift Querelles-Net, ist seit 2003 freiberuflich als Wissenschaftlerin, Pädagogin, Moderatorin und Künstlerin beschäftigt, u. a. für die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und für die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz. Sie forscht zur Holocaust-Literatur, darunter besonders zu „Bildern des Jüdischen“ und zu „Repräsentationen von Gewalt“; zu kreativen Vermittlungsformen der Geschichte des Holocaust und zu einer kritischen Theologie nach Auschwitz. Die Projektmappe "Ein Schmuggelfund aus dem KZ" von Dr. Constanze Jaiser und Jacob David Pampuch wurde mit dem 21. Annalise-Wagner-Preis der Annalise-Wagner-Stiftung ausgezeichnet.
Verfasserangabe:
Constanze Jaiser
Medienkennzeichen:
Sachliteratur
Jahr:
2000
Verlag:
Stuttgart [u.a.], Metzler
Aufsätze:
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ISBN:
3-476-45253-0
Beschreibung:
430 S. : Ill.
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Sprache:
Deutsch
Fußnote:
Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1998 u.d.T.: Jaiser, Constanze: "In toter Leere schleicht sich Sehnsucht in die Stille"
Mediengruppe:
Buch