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An die offiziellen Opfer des 20. Jahrhunderts erinnern Mahnmale und Kriegerdenkmäler. Doch wo gedenken wir der Tausenden namenlos gewordenen, heimlich verscharrten toten Juden oder Roma oder Partisanen? Wie leben wir in Landschaften, die kontaminiert sind mit den unzähligen vertuschten Massakern Mitteleuropas im burgenländischen Rechnitz genauso wie im slowenischen Kocevski Rog oder in Kurapaty bei Minsk? Martin Pollack geht es um das schonungslose, aber sorgsame Zeichnen einer anderen, wahrhaftigeren Landkarte unseres Kontinents.

Einer Landkarte, in der Erinnerung und Verortung an die Stelle vergifteter Geheimnisse und anonymer Gräber treten.

 

In dem sprachmächtigen Essay schreibt der preisgekrönte Publizist von kriegsverseuchten Orten in Mitteleuropa, die das offizielle Gedenken ausgespart hat, von Massakern, von denen keiner mehr spricht, von Landschaften, die ihre Unschuld verloren haben, ohne dass die Menschen noch davon wissen.

Über die "Bloodlands" Europas (T. Snyder) breitet sich heute Natur aus. Doch dem Boden bleibt die Vergangenheit eingegraben, auch wenn Vogelgezwitscher sie übertönt, und die Menschen sind aufgefordert, sich zu erinnern. Der vielfach ausgezeichnete Publizist, dem wunderbare Bücher über Mittel- und Osteuropa und besonders über die galizische Grenzregion zu verdanken sind, schreibt hier von Orten in Mitteleuropa, die das offizielle Gedenken ausgespart hat, von Massakern, von denen keiner mehr spricht, von Landschaften, die ihre Unschuld verloren haben, ohne dass die Menschen noch davon wissen (wollen). Pollacks glänzend formulierter Essay, ursprünglich eine Grazer Vorlesung, benennt doppelten Boden: die zeitlose Idylle der Natur, verseucht durch das Gift der Vergangenheit. Seine Kraft gewinnt er dabei nicht zuletzt durch die biografischen Rückbezüge, die diese gern verdrängte Doppelbödigkeit auch persönlich nachvollziehbar machen. Überaus lesenswert, geistiges Rüstzeug auch für viele, die in lokalen Initiativen Erinnerungsarbeit leisten. (2 J)